Es war das erste Mal, dass Nyphteq mit Brastk zu tun hatte. Sie hatte über den Ratswolf bisher bestenfalls über Erzählungen erfahren und dementsprechend gewichtig war sein jetziger Eindruck für sie. Ein Eindruck voller Widersprüche, denn weder sein ehrfurchtgebietender Anblick noch der strenge Tonfall passten zu den Worten, die er da von sich gab.
„Der will uns doch veraschen…!“
Diese Worte waren an Nyala gerichtet, neben der die Raubkatze Position bezogen hatte. Die Schmach, die sie ihr gegenüber nach dem Todesbiss an den Puma aus dem Talkessel empfunden hatte, hatte sie inzwischen überwunden und dass die Weiße diese ganze Sache offenbar ebenso lachhaft fand wie sie, stärkte erneut das Zusammengehörigkeitsgefühl.
Die goldgrünen Augen der Katze jedoch lagen weiterhin erwartungsvoll auf dem Ratsmitglied. Der dunkle Wolf sah zwar nicht aus wie jemand, der Scherze trieb, aber genau das machte ihn auch verdächtig. So eine Überraschung war schließlich umso größer, je weniger man damit rechnete. Auf die große Auflösung der Scharade wartete die Katze allerdings vergeblich: Als der Schwarze endete und die anderen Tiere zu Wort kommen ließ, ereilte Nyphteq die dunkle Einsicht, dass er diesen lächerlichen Auftrag todernst meinte.
Und mehr noch, ein paar ihrer Begleiter schienen von der Idee sogar deutlich angetan. Zugegeben, bei Nunki wunderte es die Katze kein Stück, und auch bei ihrem Neuling Véandur, dessen Bekanntschaft sie bereits vor einigen Tagen machen durfte, wunderte sie nichts mehr. Der Kater hatte einen fragwürdigen ersten Eindruck bei ihr hinterlassen. Umso mehr freute es sie insgeheim, dass selbst Yaize, die sie eher als jemanden eingeschätzt hätte, der auf solcherlei Märchen ansprang, ihre Skepsis äußerte. Auch, wenn das bedeutete, dass sich ihre Gruppe gerade eindeutig in zwei Fronten aufteilte und sie und die anderen Gegensprecher sich dabei in der deutlich unangenehmeren Position befanden.
Es war Kailans motivierende Rede – eine Praktik die wohl typisch für die Bärin war – die Nyphteq dazu veranlasste, selbst das Wort zu erheben. Die Katze verblieb in sitzender Position, den Blick zunächst kurz Kailan zuwendend und dann wieder nach vorne richtend, während sie sprach.
„Auch wenn ich den Wert von Hoffnung durchaus anerkenne; welchen Tieren soll diese Mission denn Hoffnung machen? Wie viele wissen überhaupt von der angeblichen Existenz dieses … Artefakts? Und wie viele davon glauben tatsächlich daran? Und von diesem Bruchteil, wie viele Tiere würden dann auch noch erfahren, dass wir auf dieser Mission sind?“
Kurz ließ sie diese Frage im Raum stehen, allerdings nicht lang genug, dass jemand noch auf die dumme Idee kommen konnte, diese Sache überall herumzuerzählen, um damit noch mehr falsche Hoffnungen zu wecken.
„Ich stimme dem Adler zu. Wenn die Ska weiter vormarschieren wird hier jede Pfote dringend gebraucht. Dann helfen wir niemanden, wenn wir irgendwo in der Weltgeschichte Steine umdrehen.“
Einen Atemzug lang musste sich die Katze zusammenreißen, ihrem Unmut nicht noch weiter freien Lauf zu lassen. Dies war eindeutig eine Mission, die ihr das Gefühl gab, fehl am Platz zu sein. Sie hasste den Gedanken, sinnlos Zeit zu verschwenden, während sie anderswo mehr erreichen könnte. Aber das nun auszurufen, erschien ihr taktisch sehr unklug. Ein wenig Krallenspitzengefühl schien dieser Sache viel eher zuträglich zu sein.
„Mag sein, dass der Rat diese Entscheidung mit einem bestimmten Hintergedanken getroffen hat, dessen bin ich mir sicher. Aber wenn diese Mission wirklich so vielversprechend ist, wäre es dann nicht klüger, zwei oder drei gute Spürnasen loszuschicken, statt eine ganze Gruppe fähiger Kämpfer aus dem Arsenal zu streichen?“
Mit diesen Worten war sogar ein leichtes Lächeln an Brastk gerichtet, auch wenn dessen steinerner Gesichtsausdruck nicht so aussah, als ließe er sich dadurch erweichen. Einen Versuch war es zumindest wert.
[ Hält wenig von dem Auftrag | äußert Zweifel | versucht einen Gegenvorschlag zu unterbreiten ]